Wie Journalisten korrupten Machthabern auf die Schliche kommen, haben vier Recherche-Profis aus den USA, Großbritannien, Bosnien und Togo auf beeindruckende Weise bei der GIJC17 vorgestellt. Sie alle sind Regierenden auf der Spur, die sich systematisch und illegal an Staatseinkünften und Ressourcen ihrer Länder bereichern.
James Mintz, Professor an der Columbia Journalism School in New York, berichtete von der Arbeit seines Rechercheteams MintzGroup, das seit mehr als zwanzig Jahren Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Veruntreuung verfolgt. „How to Hide Dirty
Money“ — das klinge wie eine Gebrauchsanleitung für Betrüger selbst. Doch wenn Journalisten fünf Schritte rückwärts gingen, landeten sie genau bei den Tätern (seine Tipps sind hier kurz zusammengefasst).
„Es sind ihre eigenen korrupten Winkelzüge und schmutzigen Tricks, die Kleptokraten letztlich zu Fall bringen“, erklärte Mintz. Die Jagd nach dem schmutzigen Geld beschrieb er als „Katz und Maus“-Spiel zwischen investigativen Journalisten und den Handlangern der Kleptokraten. Auf ein Netzwerk solcher Helfer seien korrupte Machthaber nämlich angewiesen: „Das mögen talentierte Diktatoren und Despoten sein, aber sie versagen auf ganzer Linie, wenn es darum geht ihr Geld zu verstecken.“ Libyens Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi habe beispielsweise völlig wahllos einen nichts ahnenden Anwalt in London kontaktiert, „den er wohl aus den Gelben Seiten hatte“, erinnerte sich Mintz.
Für Journalisten sei die Clique rund um solche Machthaber ein Ansatzpunkt für Recherchen, denn die meisten Helfer würden zu schlecht bezahlt, um nicht irgendwann „die Seiten zu wechseln“, so Mintz. Eine wahre Fundgrube eröffne sich außerdem mit dem Tod von Amtsträgern, weil viele Gerichtsakten, Zeugenaussagen, Register- und Datenbanken-Einträge erst dann zugänglich würden. Aber auf Datenbanken allein zu vertrauen, reiche nicht aus. Die sind laut Mintz oft nur ein Schatten dessen, was in den Dokumenten selbst steht.
Der Fokus auf Daten birgt noch eine weitere Gefahr, auf die Tom Burgis hinwies. Der Brite war früher Südafrika-Korrespondent und arbeitet heute für die Financial Times in London. Er plädierte für stärkeres Storytelling im Datenjournalismus: „Wir übersehen leicht die Geschichte“, sagte er und fügte hinzu: „So verstehen wir nicht, was diese Menschen tatsächlich tun, wie sie konkret handeln, um ihr Geld zu verstecken.“ Burgis ist überzeugt, dass jede Recherche einen Spannungsbogen brauche, um sie zu strukturieren, genau wie in William Blundell’s „Feature Writing“ beschrieben. Das traditionelle Journalismus-Lehrbuch aus dem Jahr 1988 erinnert mit seinem Cover in Frakturschrift zwar nicht unbedingt an nützliche Investigativ-Methoden für das Jahr 2017. Doch Burgis zog daraus eine hilfreiche Lektion: Nur über gutes Storytelling könne man verstehen, was im Kopf der Kleptokraten vorgeht – und es ans Licht bringen.
Miranda Patrucic arbeitet für das Organized Crime and Corruption Reporting Project in Sarajevo, Bosnien. Sie recherchiert in Zentralasien, wo viele Regierungsangehörige einen neureichen Oligarchen-Lebensstil pflegen, den sie mit veruntreuten Staatsgelder finanzieren. Ihnen kommt Patrucic vor allem über Social Media auf die Schliche (ihre Tipps finden sich hier). Das Geld geben sie im Ausland aus, im Netz stellen sie ihren erschlichenen Reichtum dann ungeniert zur Schau: Luxusgüter, wie Yachten oder Immobilien hinterlassen Spuren, und zwar in London, Paris oder Miami. Für die Recherche sei das vorteilhaft. „In den zentralasiatischen Ländern selbst kommst du nicht an Aufzeichnungen über den Besitz heran, vergiss es.” Bei einer ihrer Recherchen verfolgte Patrucic ein Instagram-Foto per Geolocation zurück und stieß auf das nicht deklarierte Haus einer aserbaidschanischen Oligarchen-Familie in London. Mit den Daten von Schifffahrtsbehörden oder Luftverkehrsämtern lassen sich Luxusyachten und Privatjets verfolgen.
Nicht nur Patrucic ist auf grenzübergreifende Kooperation mit anderen investigativen Journalisten angewiesen, genauso ergeht es auch Maxime Domegni, Journalist und Bürgerrechtsaktivist aus Togo. Er hatte Zugang zum Datensatz der Panama Papers und konnte darüber fragwürdige Offshore-Geschäfte in Westafrika aufdecken. Ein Zementproduzent war in den weltweiten Steuerbetrug verwickelt. Das hätte der Journalist in Togo aber nie erfahren, wenn er nicht den entsprechenden Datenzugang gehabt hätte – und finanzielle Hilfe für seine Recherchen: „Was wir herausgefunden haben, hätte niemals dieselbe Wirkung gehabt, wenn wir nicht mit weltweiten Publikationen zusammengearbeitet hätten.“
Im Video erzählt Miranda Patrucic, wie sie schmutzigem Geld auf die Schliche kommt.
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Anna Klein arbeitet als freie Lokalreporterin für den Bayrischen Rundfunk. Sie absolviert eine studienbegleitende Ausbildung bei der Journalisten-Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung, liebt mojo und experimentiert mit Datenvisualisierungen. Bei der GIJC17 hat sie in der internationalen Konferenzredaktion als VJ mitgearbeitet.