Was wir vom investigativen Journalismus Afrikas lernen können

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Anna Klein

What we can learn from Africa’s investigative journalists.

Wenn es um den Zustand des investigativen Journalismus in Afrika geht, findet die langjährige südafrikanische Reporterin Paula Fray klare Worte: “Es ist vor allem gefährlich.“ Bei der GIJC17 moderierte sie eine illustre Gesprächsrunde mit  preisgekrönten Kollegen aus ganz Afrika: Catherine Gicheru, Mwape Kumwenda, George Lugalambi, Dapo Olorunyomi und Sam Sole. In einem Punkt waren sich alle einig: Von den spezifischen Herausforderungen in Afrika können Journalisten aus aller Welt eine Menge lernen.

„Wenn ihr denkt, Donald Trump wäre eine Bedrohung für die Pressefreiheit,“ sagt zum Beispiel Sam Sole, „lasst euch sagen: Er ist nur eine Mini-Version unseres Präsidenten Jacob Zuma.“ Der südafrikanische Investigativjournalist führt Probleme seiner Branche auf ein und dieselbe Sache zurück: mangelnde finanzielle Unterstützung. Sogar etablierte und finanziell gut situierte Medienhäuser würden ausgerechnet beim investigativen Journalismus sparen. Sole arbeitete viele Jahre lang für die Wochenzeitung Mail & Guardian, zu deren Haupteigentümern neben dem britischen Guardian auch ein wohlhabender Medienunternehmer aus Simbabwe gehört. „Dort wurde beim Investigativ-Team als erstes eingespart.“

Brain Drain bedroht den Investigativjournalismus erlebe in Afrika gerade eine enorme Abwanderung von guten Leuten, sagt Dapo Olorunyomi. Der nigerianische Reporter beobachtet diese Entwicklung schon seit den 1990er-Jahren, als er über die nigerianische Militärdiktatur berichtete. „Das System ist kaputt,“ fasst er zusammen. „Viele Journalisten sind erschöpft, selbst die talentiertesten und motiviertesten von ihnen stellen sich die Frage, ob es wirklich noch das ist, was sie tun wollen.” Nicht nur die Gehälter seien zu gering für einen so fordernden Job. Die Arbeitgeber, Medienhäuser und Verlage würden zu wenig soziale Leistungen und Absicherung für ihre Mitarbeiter garantieren. Die Folge: Journalisten werden anfällig für Schmiergelder und Bestechung.

Catherine Gicheru, Gründerin der Tageszeitung The Star in Nairobi, beschreibt etwas, das sie dann doch für typisch Afrika hält: „Ich höre auf dieser Konferenz eine Menge über wunderbare Tools zur Daten-Auswertung, doch für mich ist es immer noch am schwierigsten, überhaupt an die Informationen zu kommen, denn ich muss noch Bücher und gedruckte Dokumente wälzen.“ Die Digitalisierung der Verwaltungen stecke in den Kinderschuhen. So funktioniere vielerorts nur der „Old School Journalismus“, bei dem sich alles um die richtigen Fragen und Gespräche drehe.

Mwape Kumwenda aus Sambia arbeitet als TV-Journalistin und fürchtet tagtäglich, wegen ihrer regierungskritischen Berichterstattung verhaftet zu werden. Sie hat die Morde an zwanzig Insassen eines Hochsicherheitsgefängnisses in Kabwe aufgedeckt. Morde, die von Vertretern der Staatsgewalt angeordnet worden waren. Doch Gegenwind bekommt die Journalistin für ihre international ausgezeichneten Berichte nicht nur von Seiten der Regierung: „Ich konnte nicht einmal meinen eigenen Redakteuren vertrauen.“ Einer ihrer Vorgesetzten habe den Wahrheitsgehalt ihrer Aufzeichnungen angezweifelt, um eine Veröffentlichung zu verhindern. „Deshalb habe ich mein Material nie im Büro gelassen, sondern immer mit nach Hause genommen.“

George Lugalambi, ein Kommunikationswissenschaftler aus Uganda, warnt vor einer weiteren Belastung, die besonders investigativ arbeitende Journalisten immer wieder erleben: „Man verliert schnell die Distanz zu den Protagonisten, wenn diese so enormes Leid erfahren haben.“ Doch wer zu viele Emotionen in eine Recherche investiere, gerate zwischen die Fronten und könne sich nicht mehr an die ethischen Standards halten, die im Journalismus gelten.

„Gesellschaftliche Auflehnung hat hier in vielen Formen stattgefunden, gegen die Apartheid, gegen die Machthaber, gegen das Establishment”, sagt Sam Sole. “Macht war in Afrika immer schon etwas, dem die Menschen skeptisch begegnet sind.“ Die afrikanische Geschichte schafft also beste Voraussetzungen für gute Investigativ-Journalisten.

„Wir müssen uns auf unsere Stärken besinnen und nicht nur länderübergreifend zusammenarbeiten, sondern auch über die beruflichen Grenzen hinweg, wenn wir wirkliche Expertise benötigen,“ fordert Cathrin Gicheru.

„Uns gegenseitig nur als Konkurrenten zu sehen, können wir uns nicht leisten,“ unterstreicht Sole seine Forderung nach mehr Zusammenarbeit. „Gerade investigative Journalisten müssen solidarisch sein.“

Was investigative Journalisten von afrikanischen Kollegen lernen können:

  • Brain Drain vorbeugen
  • journalistische Ethik hochalten
  • Netzwerke bilden
  • solidarische Kooperation pflegen statt Konkurrenz-Denken
  • journalistisches Potenzial strategisch unterstützen

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Anna Klein
arbeitet als freie Lokalreporterin für den Bayrischen Rundfunk. Sie studiert und absolviert eine begleitende Ausbildung bei der Journalisten-Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie liebt mojo und experimentiert mit Datenvisualisierungen. Bei der GIJC17 hat sie in der internationalen Konferenzredaktion als VJ mitgearbeitet.

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